Present Bias: Warum wir im Finanzbereich immer wieder in die Gegenwartsfalle tappen

Wer kennt es nicht? Man nimmt sich fest vor, in Zukunft mehr Geld zu sparen, keine unnötigen Einkäufe mehr zu tätigen und endlich diesen Notgroschen anzulegen. Aber dann kommt der Moment: der Rabatt auf die neuesten Sneakers, die „Limitierte Edition“ eines Spiels oder das Angebot, das nur heute gilt! Plötzlich wird aus der geplanten Sparrate ein „Das hab ich mir verdient.“ Willkommen in der Welt des Present Bias!

Was ist der Present Bias eigentlich?

Der Present Bias beschreibt unsere Tendenz, kurzfristige Befriedigung über langfristige Ziele zu stellen. Einfach ausgedrückt: Die Zukunft kann warten, ich will jetzt Spaß haben! Unser Gehirn funktioniert dabei wie ein schlecht programmierter Finanzberater, der ständig sagt: „Warum überhaupt an morgen denken?“

Doch das Problem daran ist, dass unsere langfristigen Ziele oft finanzieller Natur sind: Altersvorsorge, Schuldenabbau, oder das angesparte Vermögen für eine schicke Eigentumswohnung. Aber „Langfristig“ ist für unser Gehirn so greifbar wie Einhörner – klingt nett, aber irgendwie nicht real.

Warum ist das Gehirn so?

Unser Gehirn hat sich über Millionen von Jahren entwickelt, und Spoiler: Es ist nicht für den Kapitalismus gemacht. In der Steinzeit war es klug, die Beeren sofort zu essen, statt sie für den nächsten Winter zu sparen. Aber die Beeren von heute sind eben nicht nur essbar, sondern auch online bestellbar – und ziemlich teuer.

Zudem produziert unser Gehirn bei kurzfristiger Belohnung das Glückshormon Dopamin. Kaufen wir also die teure Designerhandtasche, fühlt sich das an wie ein Mini-Feuerwerk im Kopf. Langfristige Ziele hingegen? Die kommen ohne Feuerwerk aus. Sparen fühlt sich ungefähr so aufregend an wie Zahnarztbesuche – notwendig, aber nicht sexy.

Present Bias in Aktion

Schauen wir uns ein typisches Szenario an: Du hast 50 Euro übrig. Du könntest sie in deinen ETF-Sparplan investieren. Oder du könntest dir endlich das teure Sushi bestellen, das du seit Wochen auf Instagram siehst. Sushi gewinnt. Warum? Weil das ETF-Guthaben erst in 20 Jahren Freude macht. Das Sushi hingegen macht sofort glücklich (auch wenn der Glücksrausch nur bis zur Kreditkartenabrechnung anhält).

Ein anderes Beispiel: Black Friday. Du bist fest entschlossen, nichts zu kaufen, weil du dein Geld für eine Weltreise sparen willst. Aber dann siehst du diese Kaffeemaschine. Sie kann nicht nur Kaffee, sondern auch Tee, heißes Wasser und wahrscheinlich dein Leben verbessern. 70% Rabatt! Plötzlich denkst du: „Die Reise kann warten.“ Und genau so greift der Present Bias wieder zu.

Die Kosten des Present Bias

Das Problem ist nicht der gelegentliche Fehltritt – das Sushi hier, die Kaffeemaschine dort. Das Problem ist, dass der Present Bias sich summiert. Jeder impulsive Kauf zieht dich ein Stückchen weiter von deinen langfristigen Zielen weg. Und plötzlich stehst du da: 55 Jahre alt, kein Rentenpolster und dafür eine beeindruckende Sammlung von nutzlosen Gadgets.

Schlimmer noch: Der Present Bias betrifft nicht nur den Einzelnen, sondern ganze Gesellschaften. Studien zeigen, dass Menschen mit starkem Present Bias weniger fürs Alter vorsorgen, höhere Schulden haben und oft unzufriedener mit ihren finanziellen Entscheidungen sind. Kurz gesagt: Der Bias macht uns arm und unglücklich.

Kann man den Present Bias überlisten?

Die gute Nachricht: Ja, das geht! Aber es erfordert ein bisschen Tricksen – mit dem eigenen Gehirn. Hier ein paar Strategien:

1. Automatisierung ist dein Freund

Richte automatische Überweisungen ein, die direkt nach Gehaltseingang auf dein Sparkonto oder in deinen ETF-Sparplan gehen. Wenn das Geld nicht auf deinem Hauptkonto sichtbar ist, wirst du weniger versucht sein, es auszugeben. Out of sight, out of mind!

2. Belohnungssysteme schaffen

Wenn unser Gehirn kurzfristige Belohnungen liebt, geben wir ihm doch welche – aber clever. Setze dir kleine Meilensteine für deine langfristigen Ziele und belohne dich, wenn du sie erreichst. Beispiel: Nach drei Monaten Sparen gibt es einen kleinen Wellness-Tag. So trickst du dein Dopamin aus.

3. Zukunft greifbarer machen

Visualisiere deine langfristigen Ziele. Stell dir vor, wie es sich anfühlt, schuldenfrei zu sein oder im Alter finanziell abgesichert zu sein. Mach es real: Hänge ein Bild von der Traumreise oder dem Eigenheim an deinen Kühlschrank. So wird die Zukunft greifbarer und attraktiver.

4. Vermeide Versuchungen

Manchmal ist der beste Weg, dem Present Bias zu entkommen, ihm gar keine Chance zu geben. Melde dich von Shopping-Newslettern ab, vermeide das Scrollen durch Online-Shops und geh nicht hungrig einkaufen. Dein Geldbeutel wird es dir danken.

5. Accountability-Partner finden

Teile deine Ziele mit jemandem, dem du vertraust, und bitte ihn oder sie, dich zur Rechenschaft zu ziehen. Das kann ein Freund, ein Familienmitglied oder sogar ein Finanzberater sein. Manchmal reicht schon das Wissen, dass jemand mitbekommt, wenn du schwach wirst, um stark zu bleiben.

Ein bisschen Nachsicht bitte

Natürlich ist es unmöglich, den Present Bias komplett zu eliminieren. Und das ist auch okay! Man lebt schließlich nur einmal, und manchmal ist es wichtig, sich auch etwas zu gönnen. Der Schlüssel liegt in der Balance: Genieß die Gegenwart, aber vergiss nicht, die Zukunft vorzubereiten.

Der Present Bias ist ein nerviger Mitbewohner in unserem Kopf, der uns immer wieder dazu bringt, kurzfristige Freuden über langfristige Sicherheit zu stellen. Aber mit ein paar Tricks und einer Portion Disziplin können wir ihn austricksen und unseren finanziellen Zielen näherkommen. Denn am Ende des Tages ist es doch ein besseres Gefühl, finanziell abgesichert zu sein, als die x-te Kaffeemaschine im Schrank stehen zu haben. Also, worauf wartest du? Fang an zu sparen – dein zukünftiges Ich wird es dir danken!

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